Handschuhe nicht ausziehen – Corona-Gesetz
Neulich, bei einem Spiel des Vorbereitungsturniers MagentaSport Cup, geriet der Münchner Nationalspieler Yannic Seidenberg mit einem Schwenninger aneinander. Es entspann sich eine klassische Rauferei – nach der Seidenberg härter sanktioniert wurde. Warum? Weil er alter Gewohnheit folgend die Handschuhe ausgezogen hatte. So eine Faust wirkt ja auch viel nachhaltiger, wenn sie eine blanke ist. Allerdings kannte er die Regeländerung noch nicht, die die Deutsche Eishockey Liga (DEL) veranlasst hatte. Schlägerei ohne Handschuhe zieht eine Spieldauerdisziplinarstrafe nach sich – eine Hygieneregel in Corona-Zeiten. Man wird sich in dieser Saison also gut überlegen müssen, wie hart man einen Fight führt. Oder ob man ihn ganz unterlässt.
Ohne Fans verändert sich das Spiel
Zuschauer mögen es, wenn Eishockeyspieler zu Boxern werden. Sie feuern sie an. Doch Zuschauer gibt es in den Arenen vorläufig nicht und daher auch keine Emotionen, die von den Rängen angeheizt wird. Das Spiel wird sachlicher. „Schöner Spielfluss“, meinte Augsburgs Trainer Tray Tuomie nach der 2:3-Niederlage am Sonntag in München. Normal auch ein Derby, das stets am Rande der Eskalation steht, wenn die Spieler die Beschimpfungen aus den Fankurven im Ohr haben. Diesmal aber: Zwei Strafzeiten für München, drei für Augsburg. Praktisch nichts. Und auch bei allen anderen Spielen, die seit Saisonstart im Programm waren: Noch keine große Strafe für irgendeine Derbheit. „Die Zahl der Strafminuten geht überall nach unten“, fällt auch Münchens Trainer Don Jackson auf.
Das Virus kommt schnell – siehe die U20
Wenn das so weitergeht, bedeutet das für die Trainer: Ihre „Special Teams“ für Über- und Unterzahl werden seltener aufgerufen, die Eiszeit verteilt sich, wenn öfter Fünf gegen Fünf gespielt wird, über den gesamten Kader. Das kann ein Vorteil sein. Die wichtigsten Spieler werden weniger strapaziert, die mit kleineren Rollen im Team, oft die jungen Akteure, werden mehr gefordert. Vielleicht kommt man so besser durch eine Saison, die stets ja auch von Ausfällen durch Covid-19-Infektionen betroffen sein wird. Wie schnell das geht, erlebt gerade die U20-Nationalmannschaft, die, obwohl sie sich zur WM-Vorbereitung in eine Bubble zurückzog, nach ihrer Ankunft in Edmonton acht Positiv-Tests hatte. Bis zum Tag vor dem Turnierauftakt an Weihnachten ist fast das gesamte Team in Quarantäne. Training findet in Videosessions auf den Zimmern statt.
Die Spieler wurden zu Kollegen
In der DEL wurde festgelegt: Eine Mannschaft muss antreten, wenn sie über zehn Feldspieler und einen Torwart verfügt. Klar, dass diese Mannschaft dann mit ihrer Energie haushalten und sie nicht in Keilereien investieren würde. Denn eine Strafe träfe den kleineren Kader empfindlicher als den üppig besetzten. Womöglich steht der DEL also eine außerordentlich faire Saison bevor, in der der Disziplinarausschuss gar nicht oft tagen muss.
Kann allerdings auch sein, dass die Spieler sich mehr denn je als Kollegen begreifen. Der Sommer, in dem es um Gehaltsstundungen an allen DEL-Standorten ging, hat sie näher zusammengebracht, sie haben sogar eine gemeinschaftliche Interessensvertretung, die Spielervereinigung Eishockey (SVE), gegründet. Und wenn alle weniger verdienen, müssen sie sich dafür nicht noch gegenseitig Leid zufügen.